Augen auf beim Gebrauchwagenkauf!
Gebrauchtwagenkäufe erfreuen sich in Deutschland traditionell großer Beliebtheit. Der durch den Gebrauchtwagenhandel erzielte Umsatz liegt statistisch betrachtet zwar immer etwas unter dem des Neuwagengeschäftes. In den Jahren 2019 und 2020 lag der Gesamtumsatz für PKW-Verkäufe jeweils bei über 210 Mrd. Euro in Deutschland. Während 2019 noch Gebrauchtwagen bei einem Umsatz von 89,7 Mrd. Euro in Deutschland den Besitzer wechselten, waren es 2020 über 103 Mrd. Euro. Im Jahr 2021 scheint das Gebrauchtwagengeschäft noch mehr Zuwachs verzeichnen zu können.
Verkaufen: Gerne! Gewährleistung: Bitte nicht!
Leider versuchen manche gewerblichen Gebrauchtwagenhändler auf diesem wachsenden Markt ein Stück vom Kuchen mitzunehmen. Mit fragwürdigen vertraglichen Gestaltungen versuchen gewerbliche Händler sich allerdings aus der Verantwortung zu stehlen.
Diese vertraglichen Gestaltungen dienen dabei in aller Regel dem Zweck, den Händler von dem Risiko etwaiger Gewährleistungsansprüche wegen Sachmängeln an dem PKW zu befreien. Denn grundsätzlich stehen dem PKW-Käufer bei einem Gebrauchtwagenkauf gegenüber dem gewerblichen Händler (=Unternehmer-Verbraucher-Verhältnis; auch „B2C“ genannt) kaufrechtliche Gewährleistungsanspräche beim Vorliegen eines Sachmangels zu.
Zu diesen Gewährleistungsansprüchen zählen nach § 437 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)
- das Recht auf Nacherfüllung (Nachbesserung oder Nachlieferung einer mangelfreien Sache),
- das Recht den Kaufpreis zu mindern,
- das Recht, vom Kaufvertrag zurückzutreten (früher auch Wandlung genannt),
- das Recht auf Schadensersatz statt oder neben der Leistung
Diese Gewährleistungsrechte stehen – sofern keine abweichende Vereinbarung getroffen wurde – dem Gebrauchtwagenkäufer grundsätzlich für die Dauer von zwei Jahren ab Übergabe des PKW zu.
Besonders delikat für den gewerblichen Verkäufer ist außerdem, dass innerhalb eines Zeitfensters von 6 Monaten ab Übergabe des PKW das Vorliegen eines Sachmangels vermutet wird, wenn sich ein solcher zeigt. Außerdem ist darf im Verhältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher (=so genannter „Gebrauchsgüterkauf“) grundsätzlich keine Vereinbarung getroffen werden, durch die u.a. Gewährleistungsansprüche des Verbrauchers ausgeschlossen oder in zu großem Umfang beschränkt werden, vgl. § 476 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Trotzdem versucht manch ein Gebrauchtwagenhändler, sich dieser umfangreichen Gewährleistungsrechte seiner Kunden zu entledigen. Juristen sprechen hierbei von „Umgehungsgeschäften“.
Bei einem solchen Geschäft wird meistens durch vertragliche Gestaltungen versucht, einen anderen Verbraucher an Stelle des eigentlich den PKW verkaufenden gewerblichen Händlers dazwischenzuschieben. Auf diese Weise entsteht ein Verbraucher-Verbraucher-Verhältnis (=auch „C2C“ genannt). Aufgrund der auch im Kaufrecht geltenden Vertragsfreiheit können dann Gewährleistungsansprüche komplett ausgeschlossen werden.
Vertragliche Vereinbarungen, die in Form eines Umgehungsgeschäftes jedoch dem privaten Gebrauchtwagenkäufer seine Gewährleistungsrechte nehmen sollen, können unwirksam sein.
Umgehungsgeschäft durch so genanntes „Agenturgeschäft“
Ein recht typisches Umgehungsgeschäft kann das so genannte „Agenturgeschäft“ bzw. Vermittlungsgeschäft sein. Bei einem Agenturgeschäft wird ein PKW in fremden Namen und auf fremde Rechnung verkauft. Formulierungen wie
- „PKW wird im Kundenauftrag verkauft“ oder
- „Vermittlung des PKW auf Kundenwunsch“ oder ähnlich
sind dann in den Kaufverträgen oder den vorherigen Inseraten im Internet zu finden. Mit dem eigentlichen privaten PKW-Inhaber kommt der Gebrauchtwagenkäufer in diesen Fällen regelmäßig nie in Kontakt. Auch der PKW wird häufig auf dem Firmengelände des gewerblichen Verkäufers besichtigt.
Agenturgeschäft nicht per se unzulässig
Die Rechtsprechung hat mittlerweile entschieden, dass Agenturgeschäfte nicht immer ein unzulässiges Umgehungsgeschäft darstellen. Allerdings kann jedoch im Einzelfall eine Umgehung des für den Verbrauchsgüterkauf bezweckten Verbraucherschutzes anzunehmen sein, wenn das Agenturgeschäft missbräuchlich dazu eingesetzt wird, ein in Wahrheit vorliegendes Eigengeschäft des Unternehmers zu verschleiern (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2005, VIII ZR 175/04).
Es kommt also im Einzelfall darauf an, ob bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Gebrauchtwagenhändler als der Verkäufer des Fahrzeugs anzusehen ist. Entscheidende Bedeutung kommt hierbei der Frage zu, ob der Händler oder der als Verkäufer in Erscheinung tretende Fahrzeugeigentümer das wirtschaftliche Risiko des Verkaufs zu tragen hat.
Stellt sich dann heraus, dass der Gebrauchtwagenhändler das wirtschaftliche Risiko des Verkaufs trägt, liegt häufig ein Umgehungsgeschäft vor. Für den Käufer bedeutet das: Wurde ein Gewährleistungsausschluss vereinbart, so ist dieser unwirksam.
Gerne beraten und vertreten Sie im Zusammenhang mit Ihrem Gebrauchtwagenkauf!
Eine Beratung vor Abschluss des Kaufvertrages ist häufig günstiger als eine langwierige gerichtliche Auseinandersetzung. Zögern Sie daher nicht, schon vor dem Autokauf um Rat zu fragen. Gerade bei Rechtsgeschäften wie dem Gebrauchtwagenkauf, bei dem Sie viel Geld in die Hand nehmen, ist ein guter Rat im Vorfeld häufig sinnvoller als im Nachgang einen langen Rechtsstreit mit dem Gebrauchtwagenverkäufer zu führen.
Aber auch wenn Sie bereits einen Gebrauchtwagen gekauft haben und der Händler sich keiner Gewährleistungsansprüche annehmen möchte, sind Sie nicht immer chancenlos! Denn häufig sind die Gewährleistungsausschlüsse – auch wegen anderer formaler Fehler – unwirksam.
Als u.a. auf das Verkehrsrecht spezialisierte Kanzlei stehen wir Ihnen gerne bei allen Rechtsfragen rund um Ihren Gebrauchtwagenkauf zur Verfügung!