Mercedes – BGH hebt Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf

 

In Klageverfahren gegen Mercedes (Daimler AG) wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung durch die Verwendung so genannter „Thermofenster“ setzen sich Instanzgerichte häufig nicht oder nicht ordnungsgemäß mit dem Vorbringen der betroffenen Klägerinnen und Kläger auseinander.

So hatte der für den „Dieselskandal“ zuständige 6. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) bereits mit seinen Beschlüssen vom 19. Januar 2021 (BGH VI ZR 433/19) und vom 13. Juli 2021 (BGH VI ZR 128/20) die Entscheidungen der Oberlandesgerichte (OLG) Köln und Koblenz aufgehoben, da sich die beiden OLG-Senate nicht hinreichend genug mit dem Klägervortrag auseinandergesetzt haben:

Statt nämlich Feststellungen zu dem Klägervorbringen zu treffen, Mercedes habe trotz Kenntnis der Illegalität der „Thermofenster“ – da es sich um unzulässige Abschalteinrichtungen handelt – deren Funktionsweise und Vorhandensein gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt (KBA) verschwiegen und so das KBA und auch spätere PKW-Käufer getäuscht, werteten die OLG-Senate dieses Vorbringen als Behauptungen „ins Blaue hinein“ und setzten sich inhaltlich nicht weiter damit auseinander.

BGH definiert Anforderungen für eine Haftung von Mercedes

Der BGH hatte bereits Anfang 2021 entschieden, dass es für die Haftung von Mercedes nicht ausreiche, dass deren Fahrzeuge aufgrund einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung mit einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems („Thermofenster“) ausgestattet und in den Verkehr gebracht wurden.

Hierfür bedürfte es schon weiterer Umstände. Welche Umstände das sein können, hat der BGH exemplarisch wie folgt definiert:

Der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit setzt jedenfalls voraus, dass diese Personen [gemeint ist: Der Vorstand von Mercedes] bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen.“ (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2021, VI ZR 128/20).

Instanzgerichte übergehen häufig Tatsachenvortrag

Bislang tun sich noch immer viele Instanzgerichte schwer, hierzu Feststellungen zu treffen. Denn klagende PKW-Besitzer können häufig nur aufgrund objektiver Indizien zu der Kenntnisfrage über die Illegalität der „Thermofenster“ des Mercedes-Vorstandes vortragen. Da Mercedes sich bis heute konsequent hinter einer „Mauer des Schweigens“ versteckt und alle Vorwürfe abstreitet, ist es für Kläger schwierig, detailreich zu den Vorstellungen von Mercedes bei der Verwendung der Abschalteinrichtung vorzutragen. 

Viele Land- und Oberlandesgerichte erwarten hierzu einen viel zu hohen Detailgrad bei der Sachverhaltsschilderung. Dabei überspannen die Gerichte gerne das, was vernünftiger- und erforderlicher Weise durch betroffene PKW-Besitzer vorzutragen ist. In der Folge musste der BGH wiederholt OLG-Urteile aufheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen. 

Auch das OLG Brandenburg überspannt Anforderungen

Der 7. Zivilsenat des BGH entschied jüngst am 23. Juni 2021 (BGH VII ZR 42/20), dass das OLG Brandenburg sich rechtsfehlerhaft nicht mit dem Vorbringen eines klagenden Mercedes-Besitzers auseinandergesetzt habe. Offenbar wollte es sich das OLG in der Sache einfach machen und rügte die Berufungsbegründung des Klägers als unzulässig.

Diese Entscheidung kassierte nun der BGH und wies das OLG Brandenburg auf die ständige Rechtsprechung zu den formalen Anforderungen einer Berufungsbegründung hin. Der BGH führte dann aus, dass die Berufungsbegründung des dortigen Klägers diesen Anforderungen sehr wohl gerecht werde. Folgerichtig hob der BGH die Entscheidung des OLG auf und verwies den Rechtsstreit an das OLG zurück. Das OLG Brandenburg wird nun erneut verhandeln müssen.

Chancen gegen Mercedes vor Gericht zu gewinnen steigen

Der BGH hat bislang nicht abschließend zur Haftungsfrage von Mercedes entschieden. Aufgrund der vorgenannten Entscheidungen steht jedoch fest, dass Mercedes durchaus für sein Verhalten haftbar gemacht werden kann.

Aus unserer Sicht ist es nämlich unrealistisch, dass sich einer der größten Automobilhersteller mit einer eigenen Rechtsabteilung bei der Entwicklung von Abgasreinigungssystemen – deren Anforderungen aufgrund der strengen Gesetze immer weiter stiegen – nicht darüber im Klaren war, etwas Verbotenes zu tun. Erfreulicherweise sehen das zunehmend auch die Gerichte so. Mit der jüngsten BGH-Entscheidung im Rücken, werden nun auch andere Gerichte sehr viel genauer prüfen müssen, was sich der Mercedes-Vorstand bei der Verwendung der „Thermofenster“ gedacht hat.

Welche PKW-Modelle von Mercedes / Daimler sind betroffen?

 Bislang geht es maßgeblich um PKW-Modelle mit den Motoren

OM 651 (2,1 Liter Hubraum, 4-Zylinder Turbo-Diesel)

Zu den betroffenen Modellen gehören insbesondere:

GLE 250d 4matic, C 300 BlueTec Hybrid, C 300 h, E 250 CDI 4matic, GLC 220d 4matic, GLC 250d 4matic, GLE 250d, GLK 220 CDI, GLK 220 CDI, GLK 220 CDI 4matic, GLK 220 BlueTec 4Matic, GLK 250 BlueTec 4matic, ML 250 BlueTec 4matic, S 300 BlueTec Hybrid, S 300 h, SLK 250d, SLC 250d, C 220 CDI, C250 CDI, E 220 CDI, E 250 CDI, E 200 CDI, Sprinter, V-Klasse, Vito, Vito Tourer, Marco Polo 

OM 626 und OM 622 (1,6 Liter Hubraum, 4-Zylinder, Turbo-Diesel)

Zu den betroffenen Modellen gehören insbesondere:

C180 BlueTec, C 180d, C 200 BlueTec, C 200d, Vito, Vito Tourer, Marco Polo 

OM 642 (3,0 Liter Hubraum, V6-Zylinder, Turbo-Diesel)

Zu den betroffenen Modellen gehören insbesondere:

E 350 BlueTec, E 350d, G 350d, GLE 350d 4matic, GLS 350d 4matic, ML 350 BlueTec 4matic, GL 350 BlueTec 4matic, S 350 BlueTec 4matic, S 350d, S 350 BlueTec, S 350d 4matic,

Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es spricht viel dafür, dass auch weitere Modelle, die hier noch nicht aufgeführt sind, über „Thermofenster“ und damit auch über unzulässige Abschalteinrichtungen verfügen.

Wir helfen Ihnen bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche gegen Mercedes

Seit 2016 ist unsere Kanzlei im Abgasskandal/Dieselskandal für Verbraucherinnen und Verbraucher tätig. Wenn auch Sie zu den betroffenen PKW-Besitzern gehören, melden Sie sich gerne bei uns. Wir prüfen, ob auch Ihnen Ansprüche gegen Mercedes zu stehen.

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