BGH entscheidet Grundsatzfragen zur Gewährleistung

 

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige 8. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) sorgte bereits Anfang 2019 mit der Veröffentlichung eines richterlichen Hinweises für Aufsehen. Gleichzeitig ebnete der BGH dadurch den Weg für Gewährleistungsklagen im sog. Abgasskandal (Aktenzeichen: BGH, Beschluss vom 8. Januar 2019, VIII ZR 225/17).

Unzulässige Abschalteinrichtung ist ein kaufrechtlicher Sachmangel

Der BGH führte aus, dass die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung im Motor EA 189 durch die Volkswagen AG (VW) einen Sachmangel gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) darstellt. Denn der PKW, über dem das Damoklesschwert einer Betriebsuntersagung durch die Verwendung der illegalen Technik schwebt, eigne sich nicht für die gewöhnliche Verwendung durch den Käufer. Der habe schließlich einen PKW erworben, den er üblicherweise im Alltag ohne Gefahr einer Stilllegung durch die Behörden nutzen wolle.

Der BGH hatte in dem besagten Hinweisbeschluss nicht abschließend entschieden, ob dem dortigen Kläger im Rahmen des Gewährleistungsanspruchs auch ein Anspruch auf Neulieferung eines mangelfreien Fahrzeugs (Nachlieferung) aus der nachfolgenden Fahrzeuggeneration zusteht. Denn infolge eines Modellwechsels war die Neulieferung aus der Modellgeneration des Klägerfahrzeugs nicht mehr möglich. Um diese Rechtsfrage wurde seitdem in vielen Gerichtsverfahren heftig gestritten.

Kläger kann Neulieferung des Nachfolgemodells verlangen

Der BGH entschied, dass im Hinblick auf den Inhalt der vom Verkäufer vertraglich übernommenen Beschaffungspflicht ein mit einem nachträglichen Modellwechsel einhergehender mehr oder weniger großer Änderungsumfang für die Interessenlage des Verkäufers in der Regel ohne Belang sei. Vielmehr käme es – nicht anders als sei das betreffende Modell noch lieferbar – im Wesentlichen auf die Höhe der Ersatzbeschaffungskosten an.

Der Verkäufer könne jedoch eine Ersatzlieferung gegebenenfalls unter den im Einzelfall festzustellenden Voraussetzungen des § 439 Abs. 4 BGB verweigern, sofern die Ersatzlieferung nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist.

BGH zieht Grenzen bei Neulieferung eines Fahrzeugs der Nachfolgegeneration

Seine Rechtsprechung hat der BGH nun in insgesamt vier Parallelentscheidungen vom 21. Juli 2021 (Aktenzeichen BGH VIII ZR 254/20, VIII ZR 118/20, VIII ZR 275/19 und VIII ZR 357/20) konkretisiert und eine zeitliche Grenze für das Nachlieferungsverlangen eingeführt:

Der Verkäufer ist im Gewährleistungsfall zur Nachlieferung eines zwischenzeitlich hergestellten Nachfolgemodells nur dann verpflichtet, wenn der Käufer einen entsprechenden Anspruch gegenüber seinem Verkäufer binnen eines Zeitraums von zwei Jahren ab Vertragsschluss erstmalig geltend macht. Die Geltendmachung weiterer Gewährleistungsrechte bleibe dem Käufer allerdings unbenommen.

Entscheidung wird kritisiert

Das vom BGH aufgestellte Zeitfenster von zwei Jahren bleibt bei Verbraucheranwälten nicht ohne Kritik. So wurde bereits von mehreren Stimmen aus der Anwaltschaft gerügt, dass sich der BGH diese Frist ausgedacht habe.

Gleichwohl ist es für betroffene Verbraucherinnen und Verbraucher begrüßenswert, dass der BGH ein weiteres Mal und gleich in vier Urteilen bestätigt hat, dass vom Abgasskandal betroffenen PKW-Besitzern kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche gegen den jeweiligen Fahrzeugverkäufer zustehen können.

Achtung: Kurze Fristen im Kaufrecht beachten!

Allerdings müssen Käufer von PKW, die vom Abgasskandal betroffen sind, die kurzen kaufrechtlichen Gewährleistungsfristen beachten. Denn die Gewährleistungsansprüche (Nacherfüllung, Rücktritt, Minderung, Schadensersatz) verjähren in aller Regel innerhalb von zwei Jahren ab Übergabe der Kaufsache (vgl. § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB).

Eine längere Verjährungsfrist gilt in aller Regel nur dann, wenn der Verkäufer das Vorhandensein eines Sachmangels gegenüber dem Käufer arglistig verschwieg (vgl. § 438 Abs. 3 S. 1 BGB). Dann verjähren die Gewährleistungsansprüche innerhalb der regelmäßigen, dreijährigen Verjährungsfrist, beginnend ab Kenntnis des Käufers.

Sie sollten sich daher bei der Prüfung Ihrer Ansprüche nicht zu viel Zeit lassen!

Gerne prüfen wir Ihre kaufrechtlichen Ansprüche im Abgasskandal.

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